Präsident der St. Antonius-Schützen-Gilde, in der Zeit von 1937 bis 1952, als auch in Kevelaer dunkle Schatten über dem Schützenwesen schwebten.
Johann Baldeau, auch „de Miss“ genannt, wurde am 01. Februar 1894 als 2. Kind der Eheleute Heinrich und Maria Baldeau in Kevelaer geboren.
Den Beinamen „de Miss“ erbte er von seinem Vater, dem in der schlechten Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, die Verwechslung zwischen Hasen- und angeblichem Katzenbraten diesen Namen einbrachte.
Zuverlässigkeit und Treue, verbunden mit einer unbedingten Liebe zu seiner Heimatstadt Kevelaer, zeichneten ihn besonders aus. Die Kevelaerer kannten ihn als Friedhofsgärtner, Feuerwehrmann und Schützen, er war ein Original in unserer Stadt. Ein Mann, den es so nicht zweimal gab, dessen Werk und seine Folgen aber Geschichte geschrieben haben.
Nach Abschluss der Volksschule 1908 beginnt er seine Lehre im Gartenbaubetrieb Rogmans in Kevelaer. Dort ist er, nur durch die Kriegsjahr unterbrochen, bis zum 29. Mai 1920 als Lehrling und „Gehülfe“ tätig. Berufliche Erfahrungen sammelt der junge Baldeau in mehreren Gartenbaubetrieben, so 1924 bei der Firma F. Soentken in Geldern. Vermutlich nach seiner Hochzeit tritt er in den Dienst der kath. Kirchengemeinde. Er betreut die Gärten im Marienhospital, im Priesterhaus, sowie die Anlagen und Gräberfelder auf dem Friedhof.
Nach überstandenem 1. Weltkrieg, aus dem er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet im Januar 1919 heimkehrt, tritt Johann Baldeau 1920 der St. Sebastianus Junggesellen Bruderschaft Kevelaer bei. 1922 wurde er zum Hauptmann und 1927 zum Major gewählt. Ab 1929 wird Baldeau als inaktives Mitglied geführt. Am 26. April 1931 stellt er auf der Mitgliederversammlung den Antrag, das sich die Bruderschaft, auch für verheiratete Männer öffnen soll. Das Vogelschießen würde eine enorme
Belebung erfahren, wenn auch verheiratete Männer in der Sebastianus Bruderschaft König werden können. Andere Mitglieder schlossen sich seiner Meinung an, und es wurde auf Anregung von Johann Baldeau eine Mehrheit für die Eingliederung verheirateter Männer in die „Seb“ gefunden. Nach dem Krieg, am 28. Juli 1947, war es dann wiederum Johann Baldeau der die erste Versammlung mit Vorstandswahlen und die Wiederbegründung der Sebastianer in Kevelaer einberufen und geleitet hat.
Auf dieser Versammlung wurde Hubert Brünen zum Präsidenten und Johann Baldeau als sein Stellvertreter gewählt.
Um seine Verdienste und sein Wirken nach dreißig Jahren Schützenleben zu würdigen ernennen ihn die Sebastianer 1950 zum Ehrenpräsidenten. 1960 ehrt man ihn für 40 jährige Vereinstreue.
Nach seiner Heirat mit Anna Teloo, am 20. November 1928, wird Johann Baldeau auch Mitglied in der St. Antonius-Schützen-Gilde, die zu dieser Zeit nur verheirateten Männern die Mitgliedschaft ermöglicht.
Auf der Hüls wird Wohnung und Hausstand gegründet, dann auf der Neustraße, später sind die Baldeaus in der Basilikastraße zu Hause. Sohn Heinz 1930 und Tochter Marianne 1932 vervollständigen die Familie von Anna und Johann Baldeau.
Heinz Baldeau ist vielen Kevelaerern wohl noch als zuverlässiger Briefzusteller in der Innenstadt, bekannt.
In der „Männ“, füllt Baldeau als Vorstandsmitglied und Offizier viele Aufgaben aus. 1934 ist er mit Schützenbrüdern wie Anton Voss, Heinrich Grüntgens oder Jean Kamps an der Anschaffung der Totenkette beteiligt. Ab 1938 bis in das Jahr 1953 führt er Kevelaerers alte Schützen-Gilde als verantwortlicher Präsident.
Die Kriegs- und Nazijahre sind für den gläubigen Christen und Vorsitzenden einer katholischen Bruderschaft, Johann Baldeau, eine Qual. Ordnung sowie Traditionen und überschaubare Verhältnisse sind aus den Fugen geraten. Unregelmäßig und oft sehr kurzfristig werden die Vorstandssitzungen und Versammlungen der Mitglieder einberufen.
Das Versammlungsverbot und die immer aufs neue eintreffenden Todesnachrichten gefallener Bruders erschweren den Ablauf eines normalen Vereinslebens.
Durch seinen Beruf als Kevelaerer Friedhofsgärtner und der damit verbundenen Nähe zur Kirche, trifft Johann Baldeau oft mit Dechant Holtmann zusammen. Man versteht sich. Ob der damalige Hüter des Marienheiligtums, Dechant Holtmann, den Anstoß gegeben hat, das alte Schützensilber und die wertvollen Urkunden der Antonius-Gilde zu sichern, oder die Idee von Baldeau und seinen Vorstandskameraden stammt, ist heute nicht mehr zu klären.
Wichtig aber ist, das durch die Weitsichtigkeit der Schützenbrüder unter dem Vorsitz von Präsident Baldeau, der St. Antonius-Schützen-Gilde Kevelaer, Besitz und Nachweis über viele Jahrhunderte erhalten geblieben sind:
Anfang 1944 haben die „Bruders“ Johann Stratmann, Jean Kamps, Heinrich Grüntjens und Präsident Johann Baldeau die Wertgegenstände der Gilde, (Schützensilber, alte Schriften und Urkunden) in einem verzinkten Behälter auf dem vereinseigenem Gildenkamp, nahe der Vogelstange, über einen Meter tief in der Erde vergraben.
Am 25. Juni 1946, auf der zweiten Versammlung nach dem Krieg, gibt Johann Baldeau unter dem Jubel der anwesenden 26 Schützenbrüder, dieses sehr gut gehütete Geheimnis preis. Auf dem Gildenkamp, wo später einmal wieder um die Königswürde geschossen wird, werden auf Vorschlag von Baldeau neue Bäume gepflanzt um ein besseres Aussehen zu erreichen. Neue Bruders werden aufgenommen, das Leben in Kevelaer, in den Bruderschaften und Vereinen normalisiert sich, es geht aufwärts.
Auf der Jahreshauptversammlung 1953 gibt Johann Baldeau sein Amt in jüngere Hände. Die Bruders ernennen ihn zum Ehrenpräsidenten, der Hochmeister des Zentralverbandes, Fürst Franz Josef zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, verleiht ihm den hohen Bruderschaftsorden, eine für die damalige Zeit sehr hohe und seltene Auszeichnung.
39 Jahre später wird der hohe Bruderschaftsorden von Johann Baldeau durch seinen Sohn Heinz in die Hände der Antonius-Gilde zurück gegeben, auf eine Silberplatte gefertigt und mit seinem Namen versehen, ziert er nun die Totenkette der Antonius-Gilde und bleibt für uns eine stetige Erinnerung.
Im 38. Jahr seines Schützenlebens und nach unzähligen vergeblichen Versuchen, auch in der St. Sebastianus Bruderschaft, erringt Johann Baldeau 1958 in der St. Antonius-Schützen-Gilde die Königswürde. Zum Adjutanten ernannte er seinen langjährigen Freund und Weggefährten Heinrich Grüntjens. Die Rheinische Postberichtet im Mai 1958:
„Immer mehr wuchs die Spannung, als es darum ging, den letzten Rest des zerzausten Vogels von der Stange herunterzuholen. Als ausgerechnet dem Ehrenpräsidenten der Meisterschuss gelang, da war der Jubel groß, und Baldeaus Jan warf, auf den Schultern seiner Kameraden thronend, vor Freude die Arme hoch wie ein Fußballnationalspieler, der in einem Länderkampf das Siegtor für seine Mannschaft geschossen hat.“
Auf seiner in Silber gearbeiteten Königsplakette, deren Gestaltung sehr deutlich die Liebe zu seinem Beruf ausdrückt, ist auf der Rückseite ein Katzenkopf (de
Miss) eingraviert. Ab 1947 tritt Johann Baldeau für den Zusammenschluss der Kevelaerer Bruderschaften ein und wird von den Vereinspräsidenten zum Vorsitzenden gewählt. Die Vorgängervereinigung des heutigen Stadtbundes der Kevelaerer Schützen ist ins Leben gerufen. Die Worte vom Präsidiumsmitglied der Geselligen Vereine, Anton Seng, „Seid einig“ zählen auch für Johann Baldeau. Unter seinem Vorsitz wird der heutige Stadtbund voran getrieben und der Bau einer
Schützenhalle angedacht.
Als die Kevelaerer Schützen in Einigkeit zusammenstehn, gibt „Baldeaus Jan“, wie er allgemein heißt, 1959 den Vorsitz an Josef Schotten ab. Zu seinem Abschied aus der Verantwortung um die Kevelaerer Schützen überreichte im der Präsident der St. Hubertus-Gilde, Gerhard Joosten, eine vom Kevelaerer Kunstmaler Franz van Betteraey gestaltete Ehrenurkunde.
Johann Baldeau stirbt am 12. Oktober 1962, nach 42-jähriger Zugehörigkeit zum Kevelaerer Schützen- und Vereinsleben nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren.
Zum Tod von Johann Baldeau schreibt der ehemalige Pastor von Kevelaer und Bischof von Hildesheim Heinrich Maria Janssen, der seit 14 Tagen in Rom im Konzil weilt:
„Hier in der ewigen Stadt erreicht mich die Trauernachricht seines Todes. Ich habe mich mit Jan immer gut verstanden. Ob es um den Friedhof oder den Ordnungsdienst in der Basilika ging, mit Jan konnte ich gut sprechen. Und wenn der Pastor mal „gene guje Senn hat“, wie Jan sagte, dann nahm er das auch nicht so
krumm. Er war im tiefsten ein sehr gutmütiger und gutwollender Mensch, der gerne half, wenn irgendwo Not oder ein Dienst zu übernehmen war.
Ich bewahre ihm ein gutes Gedenken und segne sein Grab aus der Ferne.“
Johann Baldeau war in seiner Zeit in Kevelaer ein Mensch an dem man etwas festmachen konnte, sein Wort hatte Gewicht, seine Meinung wurde gehört, geschätzt und ernst genommen.
Bei genauer Betrachtung, sind es auch heute oftmals noch die Spuren von Johann Baldeau, die wir sehen und spüren, wenn wir uns auf Traditionen im Kevelaerer Schützenwesen berufen.
Im alten Buch der St. Antonius-Schützen-Gilde Kevelaer und der Kevelaerer Schützen allgemein, hat Johann seinen festen Platz.